Hektische Notmaßnahmen wegen in Südafrika aufgetretener neuer Virusvariante Südafrika fühlt sich „bestraft“; auch Thailand verhängt Beschränkungen
Joris FIORITI – Schiphol (AFP) – Die neue, erstmals in Südafrika entdeckte Virusvariante Omikron hat hektische Notmaßnahmen in der EU ausgelöst: In den Niederlanden wurden 61 von rund 600 Flugpassagieren aus Südafrika positiv auf Corona getestet, nun wird geprüft, ob die neue Variante darunter ist. Auch in Deutschland gibt es einen ersten Omikron-Verdachtsfall bei einem Reiserückkehrer aus Südafrika. Dies teilte der hessische Sozialminister Kai Klose am Samstag auf Twitter mit.
Die Tests der Flugpassagiere aus Südafrika seien bei der Ankunft am Flughafen Schiphol in Amsterdam vorgenommen worden, teilte die niederländische Gesundheitsbehörde GGD mit. Die Passagiere kamen demnach mit zwei Flügen aus Südafrika an. Neben den 61 positiven Ergebnissen habe es 531 negative Coronatests gegeben.
Die positiv Getesteten würden in einem Quarantänehotel nahe des Flughafens untergebracht, erklärte die Behörde weiter. Es werde nun untersucht, ob sie sich mit der neuen Virusvariante Omikron angesteckt haben. Der Behörde zufolge müssen die positiv getesteten Passagiere, die Symptome aufweisen, sieben Tage in der Quarantäne bleiben, die Infizierten ohne Symptome fünf Tage. Die negativ Getesteten, die in den Niederlanden bleiben, sollen sich zu Hause isolieren.
Am Donnerstag war in Südafrika die Entdeckung einer neuen Variante mit der wissenschaftlichen Bezeichnung B.1.1.529 bekannt gegeben worden. Nach Angaben südafrikanischer Wissenschaftler könnte die Variante wegen der ungewöhnlich vielen Mutationen noch ansteckender als die derzeit grassierende Delta-Variante sein und die Impfstoffe weniger wirksam machen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte die nach dem griechischen Buchstaben Omikron benannte Variante inzwischen als „besorgniserregend“ ein.
Die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC hält das Risiko einer Ausbreitung in der EU für „hoch bis sehr hoch“.
Die EU-Staaten wollen mit Flugbeschränkungen für Länder des südlichen Afrika, mit Tests, Quarantäne und Kontaknachverfolgungen eine befürchtete rasante Ausbreitung der Variante verhindern.
Das südafrikanische Gesundheitsministerium bezeichnete die verhängten Reiseverbote als „drakonisch“. Das Außenministerium beklagte, dies sei „wie eine Bestrafung Südafrikas für seine fortschrittliche Genomsequenzierung und die Fähigkeit, neue Varianten schneller zu erkennen“.
Zahlreiche Länder, darunter auch Deutschland und weitere Mitgliedstaaten der EU, haben bereits den Flugverkehr mit Südafrika und weiteren Ländern der Region eingestellt. Allerdings meldete mit Belgien am Freitag bereits das erste EU-Land, dass eine Infektion mit Omikron bei einem Reisenden aus Afrika festgestellt worden sei. Auch in Botsuana, Hongkong und Israel wurden Fälle gemeldet.
Nach zahlreichen europäischen, nordamerikanischen und arabischen Staaten folgte am Samstag Australien, das den Reiseverkehr mit neun Ländern des südlichen Afrika einstellte. Thailand beschränkt Flüge aus acht Staaten ab Dezember, bereits Eingereiste müssen sofort in Quarantäne. Zuvor hatte auch Brasilien ein Verbot für Flüge aus sechs südafrikanischen Ländern verhängt. Noch ist unklar, wie die Covid-19-Erkrankung im Falle einer Infektion mit der neuen Variante verläuft und ob die Gesundheitsgefahr größer ist als bei anderen Varianten. Nach den Worten eines WHO-Sprechers wird es „einige Wochen“ dauern, bis Wissenschaftler die Folgen verstehen können.
Die Impfstoffhersteller haben jedoch die Hoffnung, dass sie die aktuellen Impfstoffe so verändern können, dass sie gegen die Omikron-Variante wirken.
Das deutsche Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer erklärten, dass sie „spätestens in zwei Wochen“ Daten erwarten, die zeigen, ob ihr Vakzin angepasst werden kann.
Die neue Coronavirus-Variante entfachte auch die Diskussion um die Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffe neu. „Die in Südafrika entdeckte Variante zeigt deutlich, dass wir die Patente für die Covid-Impfstoffe temporär freigeben müssen“, sagte die Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, der Zeitung „Die Welt“.
Das Thema Patentfreigabe sollte die 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) dominieren, die ab Dienstag in Genf stattfinden sollte. Wegen der Ausbreitung der Omikron-Virusvariante verschob die WTO die Konferenz jedoch kurzfristig. Sie soll nun stattfinden, „sobald es die Bedingungen erlauben“.